Das Thema “Eltern im Unternehmen” ist nicht nur für einen Großteil der Arbeitnehmer:innen relevant, sondern sollte auch von Arbeitgebern nicht vernachlässigt werden. In Zeiten des Fachkräftemangels sind Wettbewerbs-und Innovationsfähigkeit von Unternehmen gefährdet – lade dir zu diesem Thema gerne kostenlos die aktuelle Arbeitsmarktstudie 2023 meiner Kollegin Kathrin herunter.
Unternehmen müssen heute mehr denn je alle Möglichkeiten nutzen, um qualifiziertes Personal zu gewinnen, zu halten und zu fördern. Dazu gehören natürlich auch Eltern, die oft vor besonderen Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, Kind und Karriere zu vereinbaren. Eltern sind eine wichtige Ressource für Arbeitgeber und es lohnt sich, sie im Unternehmen über den gesetzlichen Rahmen hinaus zu unterstützen. Warum das so ist und wie man Eltern von sich als passendem Arbeitgeber überzeugen kann, ist Thema dieses Blogbeitrags.
Warum eine familienfreundliche Personalpolitik eine sinnvolle Investition ist
Um es mal ganz deutlich zu sagen: Mitarbeiter:innen, die ein akutes oder potenzielles Bedürfnis haben, ihre Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie mit ihren familiären Verpflichtungen vereinbar sind, stellen einen großen Teil der Erwerbsbevölkerung dar. Es ist daher naheliegend, dass es in einem umkämpften Markt ein Wettbewerbsvorteil ist, diesen Mitarbeiter:innen und Bewerber:innen attraktive Bedingungen zu bieten.
Auch kann Flexibilität und Entgegenkommen auf Seiten des Arbeitgebers dazu beitragen, dass Eltern und insbesondere Mütter früher in den Beruf zurückkehren, statt zuhause zu bleiben. Noch bleibt ein Großteil der Mütter kleiner Kinder dem Arbeitsmarkt fern:
Im Bewerbungsprozess kann eine offensichtlich familienfreundliche Personalpolitik den Ausschlag geben, sich für ein Unternehmen zu entscheiden, das Remote-Arbeit und flexible Arbeitszeitmodelle anbietet. Je höher die Attraktivität eines Arbeitgebers, umso zügiger werden freie Stellen besetzt – schau dir dazu gern unseren Artikel zur Arbeitgeberattraktivität an.
Eine Unternehmenskultur, die die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihrer Familien berücksichtig, stärkt auch die Mitarbeiterbindung. Wenn Mitarbeiter:innen das Gefühl haben, dass ihr Arbeitgeber ihre familiären Verpflichtungen unterstützt, führt dies zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation, was sich wiederum positiv auf die Produktivität und den Erfolg des Unternehmens auswirkt. Mütter und Väter sind dann eher geneigt, dem Unternehmen treu zu bleiben.
Auch wenn viele bei Eltern und insbesondere Müttern als Kolleg:innen an eingeschränkte Arbeitskraft und Inflexibilität denken, sind ihre Soft-Skills und anderen Kompetenzen nicht von der Hand zu weisen: Multitasking, Organisationsfähigkeiten und Priorisierung von Aufgaben, um nur einige zu nennen. Zahlreiche Studien bestätigen das. Eltern bringen nicht nur wertvolle Erfahrungen, Kompetenzen und Perspektiven mit, sondern auch eine hohe Motivation, Flexibilität und Loyalität.
Aus persönlicher Erfahrung kann ich berichten, dass ich mich als Mutter nicht mehr so schnell aus der Ruhe bringen lasse und konzentrierter an meine Aufgaben herangehe. Das mir entgegengebrachte Vertrauen, in der verkürzt vorhandenen Zeit Verantwortung übernehmen zu können, oder auch die Möglichkeit, während der Schwangerschaft von zu Hause aus arbeiten zu können, noch bevor Remote-Arbeit flächendeckend eingeführt wurde, haben mich zusätzlich motiviert und meine Bindung zur Wollmilchsau gestärkt.
Umsetzung familienfreundlicher Personalpolitik
Der gesetzliche Rahmen: Das ist Pflicht
Gesetzliche Regelungen gibt es insbesondere rund um die ersten Lebensjahre des Kindes: das Mutterschutzgesetz, der Anspruch auf Elternzeit und Kinderbetreuungsgeld. Auch der gesetzliche Anspruch auf Teilzeitarbeit ist besonders für Eltern jüngerer Kinder relevant. Arbeitgeber sollten eine Atmosphäre schaffen, in der diese gesetzlichen Rahmenbedingungen selbstverständlich respektiert werden. Darüber hinaus gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich als familienfreundlicher Arbeitgeber zu positionieren.
Vertrauensvolle und positive Zusammenarbeit
Bevor es an die konkreten Benefits geht, ist eine Zusammenarbeit, die von gegenseitigem Verständnis geprägt ist, ein wichtiger Ausgangspunkt – natürlich nicht nur, aber auch für Eltern. Dazu passt mein einleitendes Beispiel der Arbeitserleichterung während der Schwangerschaft, also das individuelle Eingehen auf persönliche Bedürfnisse.
Ein anderes Beispiel wäre die Unterstützung im Team und durch die Geschäftsführung beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit. Auch die Rücksichtnahme auf Familienferien zu Schul- oder Kitaschließzeiten sowie auf besondere Ereignisse sind sehr wichtig. Die Beratung bei der Organisation der Elternzeit kann ebenfalls sehr hilfreich sein.
Nachvollziehbare, faire Gehaltsmodelle und Aufstiegschancen
Frauen sind statistisch signifikant häufiger von Armut betroffen als Männer, insbesondere durch die noch immer ungleiche Verteilung von Care-Arbeit. Die Firma sollte ihr Bestes geben, Verdienstunterschiede auszugleichen, um zumindest in einigen Fällen den Teufelskreis zu durchbrechen, der zur ungerechten Verteilung der Elternzeit beiträgt und die Rolle der Mutter als Hausfrau manifestiert.
Nicht zu vernachlässigen ist auch die Möglichkeit der (Wieder)-Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung in Führungspositionen, wobei Jobsharing nur eine der Möglichkeiten darstellt.
Dies könnte u.a. auch Männer dazu ermutigen, einen größeren Teil der Care-Arbeit zu übernehmen und ohne Karriereeinbußen Arbeitsstunden zu reduzieren, und damit zu einer gerechteren Rollenverteilung beizutragen. Weibliche Vorbilder machen Chancengleichheit sichtbar und wirken motivierend auf andere Frauen.
Flexible Arbeitszeiten und Rücksichtnahme bei Terminbestimmungen und Fortbildungen
Unternehmen können ihren Beschäftigten die Möglichkeit bieten, ihre Arbeitszeit individuell zu gestalten und an ihre familiären Bedürfnisse anzupassen. Sie können auch Homeoffice und mobiles Arbeiten ermöglichen, um lange Anfahrtswege und Stress zu vermeiden. Flexible Arbeitszeiten und -orte können die Produktivität, Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten erhöhen, sowie die Fehlzeiten und die Fluktuation reduzieren.
Scheinbar banal, aber absolut nicht selbstverständlich ist es leider, Meetings, Fortbildungen oder Workshops auf den Vormittag zu legen und ggf. aufzuteilen. Zuletzt haben wir bei der Wollmilchsau intern einen Workshop auf zwei Vormittage aufgeteilt. Das war nicht nur gut für die Teilzeitkräfte, auch die anderen Beteiligten konnten so konzentrierter arbeiten.
Unterstützung im Alltag
- ◆ Bezahlte Kindkranktage: Gerade in den ersten Kita-Jahren sind Kinder ständig krank und müssen zuhause betreut werden. Zwar übernimmt die gesetzliche Krankenkasse einen Teil des ausfallenden Lohns, dennoch bleibt ein finanzieller Verlust plus Aufwand durch die benötigte Krankschreibung des Kindes sowie die Beantragung der Erstattung. Gibt der Arbeitgeber den Vertrauensvorschuss und ermöglicht Eltern die Betreuung kranker Kinder, ohne die Krankenkassen einzubeziehen, bedeutet dies im Ernstfall eine riesige Erleichterung. Für den Arbeitgeber sind die Risiken aus meiner Erfahrung überschaubar – ich kenne keine Eltern, die das System ausnutzen. Im Gegenteil: Für mich persönlich führt das in mich gesetzte Vertrauen dazu, dass ich mich umso intensiver bemühe, die anfallenden Aufgaben trotz des ein oder anderen Fehltages gut und schnell zu erledigen.
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- ◆ Übernahme von Betreuungskosten/ Betreuungskostenzuschüsse: Je nach Bundesland ist die Betreuung in Kitas und ganz besonders der Kleinsten in Krippen extrem teuer. So teuer, dass ein nicht unerheblicher Teil des Gehalts dafür draufgeht und sich negativ auf die Motivation, schnell wieder in den Beruf einsteigen zu wollen, auswirken kann. Eine Übernahme oder Bezuschussung kann motivierender sein als eine Gehaltserhöhung.
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- ◆ Betriebliche Kinderbetreuung/Aufbau eines Betreuungsnetzwerkes: Unternehmen können ihren Beschäftigten die Betreuung ihrer Kinder während der Arbeitszeit anbieten bzw. unterstützen. Dies gelingt zum Beispiel durch die Bereitstellung von Betriebskindergärten, die Vermittlung von Tagesmüttern oder die Bezuschussung von externen Betreuungsangeboten. Betriebliche Kinderbetreuung kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern, die Erwerbsbeteiligung von Frauen fördern und die Bindung der Beschäftigten an das Unternehmen stärken. Die Wollmilchsau bietet Eltern die Möglichkeit, über eine Agentur einen Babysitter für zu Hause oder im Büro zu organisieren. Das hat mir schon die Teilnahme an ganztägigen Workshops und anderen Veranstaltungen ermöglicht, die nicht auf den Vormittag gelegt werden konnten.
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- ◆ Familienfreundliche Veranstaltungen und Unterstützung: Arbeitgeber können spezielle Veranstaltungen oder Programme für die Familien von Mitarbeiter:Innen organisieren, wie zum Beispiel Familientage, Ferienbetreuung für Kinder oder Eltern-Kind-Programme. Dies fördert ein familiäres Umfeld und stärkt das Gefühl der Unterstützung.
Familienfreundliche Firmen: Maßnahmen in der Praxis
Die Deutsche Bahn hat, wie viele große Unternehmen, verschiedene Programme zur Unterstützung der Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit implementiert. Dazu gehören flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice-Möglichkeiten, Elternzeitregelungen und andere familienfreundliche Leistungen umfassen. Konkret gibt es ein Mentoring-Programm zur Unterstützung von Vätern, um ihnen mehr Familienzeit zu ermöglichen. Obwohl dies in einem Verkehrsunternehmen naturgemäß nicht für alle Mitarbeiter:innen realistisch ist, bietet die Deutsche Bahn wo möglich flexibles Arbeiten an sowie betriebliche Kitas in mehreren Städten und Ferienbetreuung.
Auch das Krankenhaus Hannover wirbt mit Kooperationen mit Kitas und Kindernotbetreuung. Auch Teilzeitarbeit, Rücksichtnahme bei der Urlaubsplanung und weitere Vorteile für Mitarbeitende werden hervorgehoben.
XXXLLutz wirbt in einem Video für seine familienfreundlichen Maßnahmen und lässt dabei Mitarbeiter:innen zu Wort kommen.
Auch Henkel hat kürzlich auf sich aufmerksam gemacht – dort gibt es neuerdings für Eltern eine voll bezahlte, achtwöchige Elternzeit nach der Geburt eines Kindes. Das ist in erster Linie für Väter und Partner:innen der Mütter ein tolles Plus, sichert es doch die Chance einer gemeinsamen Zeit während des gesetzlich gesicherten Mutterschutzes. Ein solches Benefit ist auch ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung, weil es das Potenzial hat, eine gerechtere Verteilung der Care-Arbeit zu normalisieren.
Zertifizierungen für Firmen
Besonders familienfreundliche Unternehmen werden von der Bundesregierung mit dem “audit berufundfamilie”, gegründet von der Hertie-Stiftung, ausgezeichnet. Ausgezeichnete Arbeitgeber sind z.B. die Lechwerke-Gruppe und das UKE in Hamburg.
Das “Top-Arbeitgeber Zertifikat” wird vom “Top Employers Institute” vergeben. Diese Auszeichnung geht an Unternehmen, die sich durch exzellente Arbeitsbedingungen hervorheben, einschließlich Maßnahmen zur Förderung der Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit. So wurde beispielsweise der Targo Bank dieses Zertifikat verliehen.
Es gibt außerdem noch weitere regionale und branchenspezifische Auszeichnungen. Unternehmen, die sich als familienfreundlich positionieren möchten, können sich für solche Zertifikate bewerben oder sich in den entsprechenden Netzwerken engagieren.
Stolpersteine, die Firmen umgehen sollten
- ◆ Mangelnde Kommunikation über familienfreundliche Maßnahmen und mangelndes Bewusstsein bei den Mitarbeiter:innen. Es ist wichtig, dass aktiv über familienfreundliche Leistungen informiert wird.
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- ◆ Individuelle Bedürfnisse nicht berücksichtigen: Berücksichtige die Vielfalt der Bedürfnisse innerhalb der Belegschaft. Flexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeitarbeit, Homeoffice und andere Maßnahmen sind sinnvoll, um den individuellen Anforderungen der Mitarbeitenden zu gerecht zu werden.
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- ◆ Fehlende Unterstützung oder mangelndes Verständnis von Seiten der Führungsebene für familienfreundliche Maßnahmen. Führungskräfte müssen in die Umsetzung eingebunden und sensibilisiert werden. Schulungen können ihnen helfen, die Bedeutung des Themas richtig einzuordnen und die Umsetzung aktiv zu unterstützen.
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- ◆ Unklare Richtlinien und Prozesse: Fehlen klare Richtlinien und Prozesse zur Umsetzung und Verwaltung von familienfreundlichen Maßnahmen, kann dies für Verwirrung sorgen. Klare Richtlinien, explizite Ansprechpartner:innen und transparente Prozesse zur Beantragung und Verwaltung von Leistungen können hier Abhilfe schaffen.
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- ◆ Fehlende Integration in die Unternehmenskultur: Familienfreundliche Maßnahmen könnten als isolierte Programme wahrgenommen werden und nicht ausreichend in die Unternehmenskultur eingebettet sein. Die Integration familienfreundlicher Praktiken in die Unternehmenskultur ist sinnvoll, beispielsweise durch Betonung der Werte der Work-Life-Balance.
Fazit
Eine familienfreundliche Personalpolitik ist entscheidend für die Schaffung eines ausgewogenen Arbeitsumfelds, in dem Mitarbeiter:innen beruflichen Verpflichtungen effektiv und motiviert nachkommen können. Unternehmen, die flexible Arbeitszeitmodelle, Unterstützung bei der Kinderbetreuung und klare Richtlinien zur Work-Life-Balance implementieren, tragen zu einer positiven Unternehmenskultur bei, sichern sich einen deutlichen Wettbewerbsvorteil bei der Bewerbersuche und binden ihre Mitarbeiter:innen an das Unternehmen.
Mit der demografischen Entwicklung sind auch immer mehr Arbeitende mit dem Thema der Pflege Angehöriger konfrontiert. Auch dies ist ein Aspekt, der von Arbeitgebern nicht ignoriert werden darf: Betroffene brauchen unbedingt Unterstützung, in ähnlicher Form wie Eltern.
Zertifikate und eine klare Positionierung auf der Karriereseite können helfen, Bewerber:innen von diesen Stärken zu überzeugen und für sich zu gewinnen. Familienfreundlichkeit ist ein wichtiges Puzzlestück einer effektiven Personalpolitik und nicht zuletzt auch ein Schritt in Richtung Gleichstellung der Geschlechter.