Was bedeutet eigentlich gute Führung? Wenn sie ihren Job gut machen, vereinen moderne Führungskräfte viele Rollen und Aufgaben: Mentor:in, Entscheider:in, Coach. Wenn nicht, sind sie oft der Grund, aus dem Mitarbeiter:innen ein Unternehmen verlassen. Das zeigt etwa eine Umfrage von Xing. Demnach ist für jede:n zweite:n Wechselwillige:n ein schlechtes Vorgesetztenverhältnis der mit am meisten genannte Grund, sich nach einem neuen Job umzusehen und liegt damit gleichauf mit einem zu niedrigen Gehalt.
In Zeiten von Corona und zunehmender Remote-Tätigkeit wird die Führungsrolle noch einmal mehr auf die Probe gestellt. Sind Führungskräfte hierzulande in der Krise überfordert? Und was wünschen sich Mitarbeitende von ihren Führungskräften, was brauchen sie und wann gehen sie? Was macht also gute Führung aus?
Was macht eine gute Führungskraft aus?
Vom Onlinegiganten lernen: Googles Project Oxygen
Anfang der 2000er-Jahre startete Google gemeinsam mit Forscher:innen der Harvard Business School das Project Oxygen. Unter der Frage „Do Managers Matter?“ sollte untersucht werden, welche Bedeutung Führungskräfte für das Unternehmen haben – und offensichtlich bei der Frage auch, ob man sie überhaupt braucht. Das Ergebnis: Tut man und sie sollten Google zufolge über zehn Eigenschaften verfügen.
Die zehn Eigenschaften einer guten Führungskraft
- Gute:r Trainer:in/Coach
- Ermächtigt das Team und vermeidet Mikromanagement
- Schafft bei Mitarbeitenden ein Gefühl von Erfolg und Wohlbefinden
- Produktiv und am Ergebnis orientiert
- Kann gut kommunizieren, teilt Informationen und hört zu
- Gibt Feedback und unterstützt die Karriereentwicklung von Mitarbeiter:innen
- Hat eine klare Vision
- Verfügt über fachliche Fähigkeiten und berät das Team
- Effektive Zusammenarbeit mit anderen Teams
- Entscheidungsfreudig
Führungskräfte brauchen für gute Führung vor allem soziale Skills
Die Ergebnisse aus zehn Jahren Forschung bei Google zeigen also, dass gute Führung viel mit Vernetzung und Menschenkenntnis zu tun hat, aber natürlich auch einen fachlichen Hintergrund benötigt. Für Mitarbeitende zählt vor allem die menschliche Komponente, wie eine Studie der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2021 zeigt und bestätigt damit viele Punkte der Google-Forschung auch aus Sicht der Belegschaft.
Demnach wünschen sich Beschäftigte vor allem Respekt, Empathie und Weiterentwicklung. Doch damit sind die Anforderungen an moderne Führungskräfte hoch und steigen, je größer ein Team ist. Das zeigt Auswirkungen, wie aus einer Studie von Bertelsmann hervorgeht.
Auch Führungskräfte haben Zweifel
Fast jede dritte Führungskraft hat demnach Zweifel, ob sie ihre Position gut ausfüllt. Viele glauben, mehr zu einer Gruppe beitragen zu können, wenn sie geführt würden. Genauso viele empfinden ihre Rolle als Belastung.
Vor allem Jüngere haben das Gefühl, den Erwartungen nicht gerecht zu werden. Demnach ist besonders die Generation Y verunsichert.
Fachkräftemangel bei Führungskräften
Natürlich liegt das einerseits daran, dass die Erfahrung fehlt, denn mit Mitte 30 kann man nicht auf die gleiche Zeit in einer Führungsposition zurückblicken wie mit Ende 50. Doch auch hier wird sich der demografische Wandel zeigen. Aktuell sind 35 Prozent der Führungskräfte über 55 Jahre alt – 5 Prozentpunkte mehr als noch 2017. Zum Vergleich: Im gesamten deutschen Arbeitsmarkt lag die Zahl 2021 bei 22 Prozent.
Und wenige Mitarbeitende sehen sich selbst in einer Führungsposition, wie die bereits weiter oben genannte Studie der BCG zeigt. Demnach können sich nur 14 Prozent der Befragten vorstellen, in fünf bis zehn Jahren selbst Führungskraft zu sein. So könnte sich hier in einigen Jahren eine große Lücke an der Spitze auftun.
Geht Karriereleiter nur über eine Führungsposition?
Die klassische Führungsposition steckt also in der Krise: Wenige wollen es machen, viele die es machen, sind in der Rolle nicht glücklich und insgesamt schlägt der demografische Wandel zu.
Außerdem zeigt sich bei den Anforderungen an eine Führungsposition, dass es bestimmte Skills braucht, die nicht einfach durch das Erklimmen einer Karriereleiter erworben werden. Dementsprechend sollte also Karriere nicht automatisch mit einer Führungsposition verbunden sein. Gleichzeitig sind die gewünschten Soft Skills zu großen Teilen unabhängig von den fachlichen: strukturieren, organisieren, fördern, motivieren, entscheiden, empathisch sein. Es zeigt sich also, dass Führungskräfte im Grunde vor allem „gut mit Menschen können“ müssen, sie also soziale Fähigkeiten brauchen.
Weg von klassischer Führung: Weniger Hierarchien wagen
Wie lässt sich gute Führung nun also zukünftig umsetzen? Eine Möglichkeit können Führungstandems oder -teams sein, die sich gegenseitig in ihren Stärken und Kompetenzen ergänzen. Oder eben die Abwendung von klassischer hierarchischer Führung hin zu Arbeitsweisen mit deutlich mehr Verantwortung für die einzelnen Mitarbeitenden. Dabei wird die Verantwortung auf mehr Schultern verteilt und jede:r hat für etwas anderes den Hut auf.
So wird die Überlastung einzelner Personen vermieden, gleichzeitig müssen sich alle Führungsskills aneignen. Aber sie bekommen eben auch ein hohes Maß an Selbstbestimmung und die Möglichkeit zur Weiterentwicklung. Und vielleicht lässt sich so dem Führungskräfteengpass schon früh entgegenwirken.