Sinn und Unsinn einer geschlechtsspezifischen Karriere-Website

Sinn und Unsinn einer geschlechtsspezifischen Karriere-Website

Heute habe ich bei Henner einen Artikel über die geschlechtsspezifische Gestaltung von Stellenanzeigen gelesen. Im Zuge dieser Überlegungen schreibt er „…oder wie wäre es, wenn Sie gleich zwei Karriere-Websites anbieten: Karriere für Frauen UND Karriere für Männer“ – interessante Frage! Ich kann kann mich an diesen halben Versuch im letzten Jahr erinnern, der damals nicht besonders gut ankam:

Geschlechterspezifische Stellenanzeigen kommen nicht immer gut an.

Die Empörung war vorprogrammiert. Zu deren Gunsten angenommen: Vermutlich war es besser gedacht als gemacht. Natürlich ist es ziemlich daneben, die Männer schon im Visual „die Welt bauen“ zu lassen, während man den Frauen Nagellack und ein paar heraus gebrochene Tasten spendiert. Und auch die Texte triefen von Klischees. Die Jungs sind die Kellerkinder, die bei ihren Freundinnen Unverständnis auslösen – während die Mädels natürlich „sexy Code“ schreiben und Qualität schätzen, wie bei ihren neuen Schuhen. Selbst schuld. Die Karriereseite ist heute umgestaltet und das Unternehmen sucht wieder klassisch mit „(f/m)“.

Wie könnte sie also aussehen, die nach Geschlechterrollen getrennte Karriere-Webseite?

Nun bei Seiten, die klar männliche bzw. weibliche Zielgruppen haben, lassen sich durchaus bestimmte Unterschiede erkennen. Lassen wir mal alle Beispiele aus den user-generated Bereichen außen vor, wo wir davon ausgehen können, dass der Geschmack des Anbieters die Gestaltung seines Angebots stark beeinflusst. Werfen wir stattdessen einen Blick auf die eiskalte, conversion-getriebene, berechnende Welt der Onlineshops:

Ich fasse kurz zusammen: Frauen und Männer haben – so die Präsentation – unterschiedliche Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmuster. Daher unterscheiden sich ihre Ansätze zur Interaktion und Problemlösung – so auch ihre Art, mit Onlineangeboten umzugehen (Slides 8 – 12). Daher bevorzugen beide eine unterschiedliche Gestaltung von Webseiten (Slides 17 und 18).

Männer kommen gut zurecht mit:

  • gesetzten Farben, maximal drei
  • spitzen Winkeln, vertikalen Linien
  • glatten, glänzenden Oberflächen
  • einfacher und klarer Typo

Inhaltlich suchen sie:

  • Funktionen und Eigenschaften des Produktes
  • eine realistische und genaue Darstellung,
  • Fakten und Zahlen

Frauen hingegen mögen:

  • bunte Farben, vier bis sechs.
  • stumpfe Winkel und horizontale Linien
  • strukturierte und gemusterte Oberflächen
  • und unterschiedliche verspielte Schriftarten

und inhaltlich:

  • Nutzen und Ästhetik von Produkten
  • schematische Darstellungen
  • Geschichten und Testimonials

Spannende Ergebnisse, die sich mit meinen Erfahrungen decken. Rein strukturell haben wir hier schon mal einen besseren Ansatz als den obigen – einer der sicher ganz gute Ergebnisse liefern würde. Wie und ob sich das in der Praxis umsetzen lässt, hängt aber von vielen Faktoren ab: dem Unternehmen, den Jobs, der (sehr richtig, Henner!) Weiche zu diesen getrennten Webseiten (Zwei Buttons? Tracking-Cookie? …) und nicht zuletzt der Zielsetzung. Möchte man für bestimmte Stellen lieber Frauen haben? Oder glaubt man, dass Job X eher Männer anspricht? Welche für mich als Arbeitgeber nützliche Eigenschaften rechne ich bestimmten Geschlechtern zu? Und wer bin ich, das zu entscheiden? Von den gesetzlichen Vorgaben diesbezüglich mal ganz zu schweigen…

Next Level (Relativierung)

Eines möchte ich in dieser Frage nicht unerwähnt lassen: In der Unternehmenskommunikation ist inzwischen ein wichtiges Thema angekommen, mit dem man leider noch häufig auf Unverständnis stößt – Gender Studies, also dem Verhältnis vom biologischen Geschlecht „sex“ zu der soziokulturellen Geschlechterrolle „gender“. Hier bekommen wir es mit einem Feld zu tun, vor dem viele Unternehmen noch immer zurückschrecken – sofern überhaupt ein Problembewusstsein vorhanden ist. Facebook hat beispielsweise erst im Februar dieses Jahres weitere Gender-Optionen für die Userprofile eingeführt – bei Diaspora hingegen war Gender schon 2010 ein freies Textfeld. Denn ob sich jemand als Mann, als Frau oder irgendwo dazwischen orientiert fühlt, lässt sich nun mal nicht nur biologisch festmachen: Es ist eine individuelle Frage und eine Herausforderung für denjenigen, der ihn mit einer Webseite erreichen möchte.

Vorläufiges Fazit

Unter diesem Blickwinkel ist das oben beschriebene Vorgehen natürlich etwas fragwürdig, auch wenn es zunächst einmal die gewünschten Ergebnisse bringen wird. Ja, sicherlich gibt es einen recht weiten gesellschaftlichen Konsens, den wir immerhin so weit nutzen können, dass z.B. „weibliche“ Seiten bei „Frauen“ besser funktionieren. Als Marketer nutzen wir diesen Konsens jeden Tag in der Gestaltung von Kampagnen und Werbemitteln. Man sollte jedoch davon ausgehen, dass dieser Konsens ein Konstrukt ist und jeder der sich ernsthaft mit geschlechterspezifischer Online-Konzeption beschäftigt, wird um dieses Problem nicht herumkommen.

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