Wer schon mal eine IT-lastige Konferenz besucht hat, kennt das beinah obligatorische “Übrigens,…wir stellen auch ein!” am Ende von jedem Vortrag. Sicherlich trifft man dieses Phänomen auch auf Konferenzen zu anderen Themen. Allerdings haben die IT Unternehmen, so kommt es mir zumindest vor, den Fachvortrag als Recruitinginstrument erfunden.
Während z. B. im Bereich Online-Marketing Fachvorträge eher vor dem Hintergrund der Neukundengewinnung gehalten werden, machen die ITler schlicht Personalmarketing. Die Not macht eben erfinderisch. Und die Vorgehensweise macht auch total Sinn.
1. Hältst einen fachlich reichhaltigen Nerd-Vortrag
2. Kriegst einen Raum voll mit fachlich passenden Kollegen
3. Versuchst welche abzugreifen
Check!
Webinare als Recruitinginstrument
Witzigerweise ist mir dieses einfache und gleichzeitig sehr logische Konzept noch nie im Rahmen von Webinaren begegnet. Webinare als Marketinginstrument gibt es inzwischen wie Sand an Meer zu allen möglichen Themen. Es ist wesentlich einfacher ein Webinar zu organisieren als einen Fachvortrag auf einer Konferenz. Das Format ist Zeit- und ortsabhängig und auch noch günstig dazu. Und wenn man sich die Mühe macht und dem Publikum echten Mehrwert statt reiner Werbung bietet, kann man sich einer gewissen Nachfrage sicher sein.
Warum nutzen wir diesen Kanal zum Fachpublikum nicht, um auf passende offene Stellen aufmerksam zu machen?! Genau so, wie dies im Rahmen einer gewöhnlichen Fachkonferenz passieren würde. Ich habe keine Antwort auf diese rhetorische Frage. Wir haben neulich selbst ein Webinar durchgeführt. Der Gedanke, unsere aktuelle Vakanz darin anzusprechen, kam leider erst danach.
Die genaue Ausgestaltung dieser Idee für Euren konkreten Fall überlasse ich nun Eurer Phantasie. Meine Recherche führte mich zu einem einzigen dokumentierten Case, wo ein Webinar als Recruitinginstrument zum Einsatz kam.
Case Oracle
Die Firma Oracle war Ende 2015 auf der Suche nach Sales-Kollegen. Die Recruiter haben sich hingesetzt, Brainstorming gemacht und folgende Herausforderungen im Zusammenhang mit ihren Ausschreibungen definiert.
- Differentiation – we’ll have to approach candidates differently than what they’re already used to.
- Channel – candidates are not responsive, as emails, InMails or phone calls from recruiters often remained unanswered.
- Speed – we had to move fast before other companies recruited our prospects.
- Engagement – we needed to give candidates the inner motivation to engage and apply, since they couldn’t be found at traditional recruitment events, career fairs, networking nights etc.
Die Lösung: Ein Sales-Executive sollte ein Webinar halten und den Interessenten erzählen, was Oracle vorhat und was es zu tun gibt. Gesagt getan.
Wie Ihr sehen könnt, entspricht dieser Ansatz nicht ganz meiner Idee. Es sollte hier nämlich kein Fachwebinar mit Recruiting-Trojaner, sondern ein reines Recruitingwebinar angeboten werden. Ist auch gar nicht schlimm. Oracle ist eine bekannte Marke und konnte mit etwas Werbeaufwand einige Spezialisten zur Anmeldung bewegen. Beworben wurde das Webinar so:
Ihr seht, es ist eine machbare Sache. Und wenn Ihr keinen Twitter-Kanal mit 7000+ Followern habt und keinen Oracle-Newsletter, dann muss halt etwas mehr in die Werbung bei LinekdIn, Facebook, Google oder Xing fließen. Interessanterweise wird angemerkt, dass LinkedIn der entscheidende Kanal bei der Aktion war. Im Ergebnis konnte Oracle 32 Anmeldung generieren.
Aus den 32 Anmeldungen ergaben sich am Ende 10 potentielle Kandidaten, die in dem Bewerbungs-Prozess gelandet sind. Vier Kandidaten wurden als perfekt passend eingestuft. Zwei davon wurden letztendlich zum finalen Auswahlgespräch eingeladen. Ob sie eingestellt wurden, ist nicht bekannt. Als weiteren positiven Effekt hielt man fest, dass 60% der Anmeldungen grundsätzlich als für Oracle-Positionen interessanteingeschätzt wurden.
Als suboptimal wurde das Verhältnis von Interessenten (“considered joining”) und den Anmeldungen betrachtet. Hier hätte man viel besser performen können, so die Autoren. Meine Theorie ist, dass ein gutes Fachwebinar wesentlich mehr Interesse generiert hätte. Die Frage ist dann natürlich, ob die Umwandlung der Teilnehmer in Bewerber besser oder schlechter funktionieren würde. Letztendlich muss man hier einfach probieren. Und ich bin mir sehr sicher, dass es sich lohnen kann, Webinare als Recruitinginstrument in Betracht zu ziehen. Was meint Ihr?
Vielleicht habt Ihr schon mal als Teilnehmer oder Veranstalter Erfahrungen mit Personalmarketing im Rahmen von Webinaren gemacht. Dann freue ich mich auf Cases!